Motion 500 Millionen – Argumentarium


500 Millionen für klima- und umweltfreundliche Massnahmen im Kanton Freiburg.

„Alles, was wir während der aktuellen Krise tun und nach dieser tun werden, muss mit dem Ziel realisiert werden, gerechtere und nachhaltigere globale Volkswirtschaften und Gesellschaften zu schaffen, die besser auf Pandemien, auf den Klimawandel und auf alle Herausforderungen, die uns noch erwarten, vorbereitet sind.“ 
Antonio Guterres, UNO Generalsekretär

I. ALLGEMEINE VORSTELLUNG DER VOLKSMOTION

Diese von der Bewegung Klimastreik Freiburg und der Vereinigung der Klima-Grosseltern Freiburg lancierte Motion will eine konstruktive und konkrete Antwort auf die gegenwärtige Häufung von Krisen sein. Sie fordert den Grossrat des Kantons Freiburg dazu auf, rasch Verantwortung zu übernehmen für die Bekämpfung der Klimakrise sowie die sozialen und ökonomischen Folgen der aktuellen Gesundheitskrise.

Sie erwartet von den Abgeordneten, dass sie ihrer am 6. Februar 2019 verabschiedeten Resolution treu bleiben, worin sie „…den Staatsrat aufforderten, die zur Reduzierung der CO2- Emissionen erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen“.

Eine Volksmotion im Dienste einer kantonalen Wirtschaft mit neutralen CO2-Emissionen
Die Volksmotion schlägt Massnahmen vor, welche die Entwicklung hin zu einer kantonalen Wirtschaft mit neutralen CO2-Emissionen fördern und es gleichzeitig ermöglichen, die Freiburger Wirtschaft nach der durch das Coronavirus verursachten Krise sofort zu unterstützen. Eine solche Strategie ist Teil der nationalen Anstrengungen, die Wirtschaft wieder zu beleben und gleichzeitig die Ziele der Schweiz zu verfolgen, die CO2-Emissionen zu reduzieren und deren Kompensation im Ausland zu begrenzen.

Kantonale Mittel, um die Massnahmen zu finanzieren, die der Kanton bereits vorgesehen hat
Die Motion schlägt eine Kapitalausstattung von CHF 500 Millionen vor, um die Finanzierung der im Rahmen seines Kampfes gegen den Klimawandel vom Kanton Freiburg bereits beschlossenen oder vorgesehenen Massnahmen zu garantieren. Dies geschieht mittels

  • Seinem Bauprogramm
  • Seinem Energiefonds
  • Seiner Strategie Nachhaltige Entwicklung
  • Seinem Klimaplan
  • Seiner Strategie Biodiversität

Diese Finanzierung ermöglicht eine rasche und systematische Umsetzung aller bereits beschlossenen oder angekündigten politischen Vorhaben. Die so finanzierten Massnahmen werden damit kurzfristig zum Übergang der kantonalen Wirtschaft zu einer Wirtschaft mit tiefen CO2-Emissionen beitragen, zu Gunsten heutiger und künftiger Generationen.

Die Antworten auf die beiden Krisen verbinden, um mehr Wirkung zu erzielen
Nach der globalen Finanzkrise von 2008 hatte die Wiederbelebung der Wirtschaft einen Wiederanstieg der CO2-Emissionen verursacht. Bei der gegenwärtigen Krise müssen wir um jeden Preis verhindern, dass die Behebung der Wirtschaftskrise eine Verschlimmerung der Umweltkrise verursacht. Die Motion schlägt daher vor, gleichzeitig auf die Klima- und Umweltkrise und auf die ökonomische Krise zu reagieren, um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen und damit den bestmöglichen Nutzen aus dem vorhandenen kantonalen Vermögen zu ziehen.

Positive Auswirkungen auf die kantonale Wirtschaft
Einer der Hauptvorteile der vorgeschlagenen Strategie besteht darin, den Einwohnern und Unternehmen des Kantons Freiburg sowohl wirtschaftliche wir auch umweltmässige Vorteile zu garantieren. Die Erfahrung zeigt, dass im Kanton sehr gut vertretene Sektoren wie die Bauwirtschaft, die erneuerbaren Energien, der Tourismus, der öffentliche Verkehr, die sanfte Mobilität wie auch die Landwirtschaft zusätzliche lokale Arbeitsplätze schaffen können. Es gibt also eine grosse Anzahl von dynamischen und innovativen Unternehmen, die von kantonalen Subventionen profitieren können, um Projekte zu realisieren, die sowohl zur wirtschaftlichen Erholung wie auch zum Übergang der kantonalen Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.

II. BEGRÜNDUNG

Die globale Erwärmung verursacht den globalen Klimawandel, der durch internationale und nationale meteorologische und klimatologische Messungen bestätigt ist. Angesichts der Schlussfolgerungen der jüngsten Berichte der Zwischenstaatlichen Expertengruppe zur Klimaentwicklung (GIEC) haben mehrere Staaten1 und andere öffentliche Körperschaften2 die Dringlichkeit von Massnahmen zur Bekämpfung der Klimaverschlechterung anerkannt. Massnahmen wurden und werden ergriffen, um den Klimawandel zu dämpfen und auch, um sich an die laufenden Veränderungen anzupassen. Es wurde schnell erkannt, dass sowohl die Massnahmen zur Abschwächung des Klimawandels wie auch zur Anpassung daran einen massiven Einsatz von spezifischen Investitionen bedingen (wir sprechen weltweit von Hunderten, ja Tausenden von Dollarmilliarden pro Jahr, während Jahrzehnten).Aufgrund der bisherigen Untätigkeit der meisten Länder, welche das Pariser Abkommen von 2015 unterzeichnet haben, müssen diese Summen noch nach oben korrigiert werden. Auch die Schweiz und damit auch die Kantone werden diese Kosten mittragen müssen.

Die Rechtfertigung der Volksmotion beruht auf folgenden Überlegungen:

I. Der Kanton hat die moralische und verfassungsmässige Pflicht, alles zu unternehmen, um in seinen Kompetenzbereichen und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt für seine zukünftigen Generationen zu sichern.

  • Die kantonalen Behörden haben mit der Vernehmlassung zur Strategie Nachhaltige Entwicklung des Kantons Freiburg schon erste ermutigende Schritte unternommen;
  • Ausserdem mit der Annahme einer Resolution durch den Grossen Rat des Kantons Freiburg, vom 6. Februar 2019, in der „der Staatsrat aufgefordert wird, die zur Reduktion der CO2-Emissionen erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dafür wird er einen ehrgeizigen Klimaplan vorlegen, der von präzisen Zielen begleitet ist und über eine konsequente Finanzierung verfügt“. Dies ist ein weiteres Engagement, dass noch konkretisiert werden muss.

II. 500 Millionen sind ein angemessener Betrag für einen Kanton, der über die Mittel verfügt, eine ehrgeizige Umsetzung der Klimaschutzmassnahmen zu gewährleisten.

  • Das kantonale Nettovermögen belief sich zum 31.12.2019 auf 1’109 Millionen CHF. Dieses ist zum Teil auf einen Betrag zurückzuführen, den der Kanton von der SNB erhalten hat, nämlich 756’998’666 CHF, die vom Verkauf von 1300 t Gold im Jahr 2005 herrührten, also der Gewinnverteilung aus diesem aussergewöhnlichen Verkauf.
  • Die Anfangs-Dotierung von 500 Millionen ist ein Beitrag der früheren und der heutigen Generationen zu Gunsten der künftigen Generationen. Dieser Betrag ist aber auch ein willkommener Zuschuss für Unternehmen mit einem Potenzial, nach der Coronaviruskrise Arbeitsplätze zu schaffen. Mit dem verbleibenden kantonalen Vermögen von mehr als 600 Millionen verfügt der Kanton weiterhin über die Mittel, um seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen.
  • Mit dem Entscheid, vorerst 500 Millionen Fr. für Klima-& Umweltmassnahmen zur Verfügung zu stellen, würde der Kanton Freiburg im nächsten Jahrzehnt 157 Fr. pro Einwohner und Jahr ausgeben.3
  • Zum Vergleich können folgende Fakten herangezogen werden:
    • Die Ausgaben des Kantons beliefen sich 2019 auf 3’869 Millionen, d.h. auf einen jährlichen Betrag von 11’581 pro Einwohner (also 3,689 Mia für 318,514 Einwohner)
    • 2017 hat der Grosse Rat von Freiburg einen Kredit von 100 Millionen Fr. gesprochen zur Schaffung eines Fonds für eine aktive Bodenpolitik in den Zonen mit Aktivitäten von kantonaler Bedeutung. (Dies entspricht 20 % des in dieser Motion vorgeschlagen Betrages)
    • 2020 schlägt der Staatsrat im Rahmen der Neudefinition der Leistungen der staatlichen Pensionskasse eine Staatshilfe von 380 Millionen vor.4

Der Kanton Freiburg könnte sich zum Beispiel auch mit Deutschland, mit seinen 83 Millionen Einwohnern, vergleichen: unsere Nachbarn haben 2019 einen Betrag von 100 Milliarden Euro für den Kampf gegen die Klimaerwärmung bis 2030 beschlossen. Dies entspricht 1204 € pro Bewohner für das Jahrzehnt.5

III. Mittel zur Beschleunigung der Sanierung des Gebäudebestandes

  • Die bis heute gesprochenen Mittel haben bestenfalls eine energetische Sanierung von 1% des Freiburger Gebäudebestandes pro Jahr erlaubt.
  • Bei diesem Tempo würde es also ein Jahrhundert dauern, um den gesamten Freiburger Gebäudebestand zu sanieren.6 Dieses Tempo erscheint uns angesichts der aktuellen Klimakrise inakzeptabel.
  • 2019 belief sich der Beitrag des Kantons an den Energiefonds für das Bauprogramm auf 6 Millionen Franken.
  • Zum Vergleich: der Kanton Wallis will seine Unterstützung zur Sanierung seiner Gebäude verdoppeln, ja verdreifachen, und dies in Ergänzung zur Bundeshilfe, um damit schweizweit führend zu werden und um seinen Bausektor zu unterstützen.7
  • Der Kanton hat die Kompetenz, um sowohl die energetische Sanierung seiner mehr als 60‘000 Gebäude wie auch die Produktion erneuerbarer Energien voranzutreiben

IV. Mittel zur stärkeren Förderung der Produktion lokaler erneuerbarer Energien

  • Die (dezentrale) Produktion von erneuerbarer Energie ist unabdingbar, um der Stilllegung der schweizerischen Kernkraftwerke begegnen zu können. Ihr Beitrag ist von essenzieller Bedeutung, um die Sicherheit der Energieversorgung des Landes zu gewährleisten. Dies zusätzlich zu den neuen Bedürfnissen an elektrischer Energie, die durch die notwendige Änderung des Energiemixes entstehen, infolge des Abbaus der aktuellen fossilen und nuklearen Energien.
  • Die von den Behörden (und insbesondere vom Bund) zur Verfügung gestellten Mittel sind notorisch ungenügend, um das Potenzial der in der Schweiz vorhandenen erneuerbaren Energien auszuschöpfen.

V. Mittel zur Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft, eines nachhaltigen Tourismus und von nachhaltiger Mobilität

  • Die Landwirtschaft ist einerseits eine grosse Verursacherin von Treibhausgasen ( Methan, CO2, Lachgas, andere Stickoxide), sie trägt aber auch zu deren Sequestrierung8 bei (Wälder, geeignete Anpflanzungen) : weltweit schätzt man, dass über 5 % der Treibhausgase durch eine geeignete Bodenbewirtschaftung aufgefangen werden könnten. Sie ist zudem Opfer des Klimawandels und schlechter Bewirtschaftungsmethoden, insbesondere was die Bodenerosion anbelangt (Dürre, Überschwemmungen, Verbreitung von Schädlingen) Die Landwirtschaft muss daher schnell Massnahmen ergreifen, um die Treibhausgasemissionen zu verringern, den Boden zu schützen und sich an den Klimawandel und extreme meteorologische Ereignisse anzupassen. Als stark landwirtschaftlich geprägter Kanton hat Freiburg viel Potenzial und Kompetenzen, um innovative Ansätze für eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln.
  • Der Tourismus ist einer der wichtigen Wirtschaftszweige des Kantons. Die eidgenössisch und kantonal geschützten Gebiete und eine fast allgegenwärtige Natur in unserem Kanton sind wichtige Trümpfe, die jedoch insbesondere durch den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität bedroht sind.
  • Die Mobilität ist die Hauptquelle für Treibhausgasemissionen. Gezielte Investitionen im Bereich der Infrastruktur, der Energieeffizienz der Transportmittel (Elektrizität, Wasserstoff), und in die Förderung des öffentlichen Verkehrs und der sanften Mobilität (insbesondere im städtischen Bereich) werden es erlauben, eine nachhaltige Mobilität im Kanton voranzutreiben.

VI. Sicherstellen, dass die getroffenen Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und der Umweltzerstörung zu einer Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit beitragen

  • Die dank dieses Betrags umgesetzten Massnahmen sollen Solidarität, einen fairen Zugang zu Ressourcen und eine faire Aufteilung von Belastungen und Zwängen sicherstellen, so dass auch die Interessen der am stärksten Benachteiligten berücksichtigt werden.
  • Ein angemessener Anteil aus dem anfänglichen Betrag soll der Finanzierung der Erarbeitung kantonaler Bestimmungen dienen, die die durch Massnahmen des Klimaplans verursachten sozialen Ungleichheiten verhindern sollen. Die Kosten für diese Bestimmungen müssen im Klimaplan eingerechnet werden.

1 – z.B. Irland, Kanada, Frankreich, Spanien, EU
2 – Kantone (Waadt, Basel-Stadt, und Freiburg s.unten), Regionen und Städte (Liestal, Bern, Thun, Luzern, Genf, Lausanne)
3 – Zum Vergleich : der Kanton GE verfügt über 35 Mio für sein Bauprogramm (21 Mio vom Bund, 7 Mio vom Kanton und 7 Mio von der SIG).
4 – Zum Vergleich : die Kantone VS und GE haben ihre Pensionskassen mit 1,6 Mia, bzw. 5 Mia rekapitalisiert.
5 – Siehe ​https://www.letemps.ch/monde/100-milliards-deuros-climat-allemagne​.
6 – Der Kanton FR zählt 151’237 Wohnungen, aufgeteilt auf 15’587 Gebäude mit mehreren Wohnungen (22,4%) und 42’347 Einfamilienhäuser (61,3%). Die übrigen (16.3%) sind gemischte Gebäude. 44% der Wohnungen des Kantons gehören Privatbesitzern, einer der höchsten Anteile der Schweiz.
7 – ​Für mehr Einzelheiten siehe https://www.vs.ch/web/sefh/programmes-de-promotion/aides-financieres​.
8 – Siehe das Postulat «Kohlenstoffsequestrierung in Böden», das am 18.6.2019 von Nationalrat Jacques Bourgeois eingereicht und am 27.9.2019 vom Nationalrat angenommen wurde.

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